Das Haus in der Schellgasse 8 im Sachsenhäuser Brückenviertel ist nicht ganz leicht zu finden: Von der Walter-Kolb-Straße aus führt eine Treppe hinunter zum vermutlich ältesten Haus Frankfurts. Hier ist jetzt das „Apfelweinkontor“ zur finden.
„Das Alter des Fachwerks wird auf das Jahr 1292 datiert“, erzählt der neue Hausherr Josef Grunenberg. Damit ist das Gebäude um einiges älter als die hessische Apfelweinkultur, die erst seit 1638 urkundlich belegt ist.
Anfang des Jahres ist der 35-jährige Geschäftsmann, der sich auch im Gewerbeverein Brückenviertel engagiert, hier mit dem Apfelweinkontor eingezogen. Zuvor war das Geschäft nicht weit entfernt in der Wallstraße. Seine Partnerin Dayanna Moya, die aus Kolumbien stammt, produziert und vertreibt in dem ursprünglich als Scheune und erst später zum Wohnhaus umgebauten zweistöckigen Gebäude unter der Marke „artbembel“ kunstvoll bemalte Apfelweinkrüge.
Dass dieses besondere Gebäude zu mieten war, erfuhr das Paar, als es in der Nachbarschaft eine Wohnung besichtigte. Beim Blick aus dem Fenster sagte Grunenberg spontan „die Wohnung nehmen wir, denn da unten ist mein Lieblingshaus“. Wie der Zufall so spielt, holte die Mitarbeiterin der ABG daraufhin einen Schlüssel aus der Tasche und fragte, „ob er mal reinschauen will“. Kurze Zeit später war man sich einig. Das Geschäftsmodell des jungen Unternehmers, der auf der Suche nach größeren Räumen vor allem für seine Apfelweinverkostungen war, passte in das Konzept und seit Januar steht das Gebäude jetzt ganz im Zeichen der Apfelweinkultur.
Zum Apfelwein ist Grunenberg über einen Studentenjob im bereits 2010 gegründeten Apfelweinkontor gekommen. 2018 hat er die Marke sowie das Geschäft übernommen und ausgeweitet. Seitdem vertreibt er seine „Weine aus Äpfeln“ – erlesene sortenreine Apfelweine und Apfelschaumweine aus eigener Produktion, und von ausgesuchten hessischen Apfelweinmanufakturen. Seit drei Jahren gibt es zum Beispiel den aus Äpfeln von Streuobstwiesen in der Wetterau gekelterten „Skylineschoppen“, für den die Künstlerin Dayanna jedes Jahr ein neues Etikett mit aktualisierter Skyline zeichnet, wie sie vom Sachsenhäuser Ufer aus zu sehen ist. Besonders als originelles Geschenk ist dieser Apfelwein beliebt. Eine Klasse darüber liegen der sortenreine „Boskoop mit echtem Speierling“ oder das „Cuvee aus Goldparmäne und Bohnapfel“.
Sortenreine Apfelweine bei Tastings genießen
Das Markenzeichen des Apfelweinkontors sind die „Apfelweintastings“, die Grunenberg jetzt in dem großen Raum im ersten Obergeschoss und etwas intimer im gemauerten Gewölbekeller für Gruppen von sieben bis 40 Personen veranstaltet. Bei diesen rund zweistündigen Apfelweinverkostungen hören die Teilnehmer:innen neben „ernsten und lustigen Anekdoten“ viel über Geschichte, Kultur und Produktion des Hessischen Traditionsgetränks, lernen, was den Unterschied zwischen Apfelwein aus der Manufaktur und dem aus der Industrie ausmacht und probieren dabei fünf bis sechs Apfelweine aus unterschiedlichen Manufakturen. „Ein Bembel mit klassischem Ebbelwoi-Schoppen steht auch immer auf dem Tisch“, sagt Grunenberg. Zu den offenen Verkostungen, die vor allem freitags und samstags angeboten werden, kann sich jeder auf der Webseite anmelden. Daneben gibt es die ganze Woche auch geschlossene Tastings für Firmen oder private Gruppen, bei denen die Gäste den Experten zwei Stunden exklusiv für sich haben.
„In diesem Ambiente kommt die Qualität unserer Arbeit noch viel besser als früher zur Geltung“, freuen sich Josef Grunenberg und seine Partnerin, die in ihrem neuen Domizil noch viel vorhaben. Ein Glücksfall war für die beiden auch, dass die Frankfurter Eintracht ihnen die exklusive Lizenz für den „SGE-Bembel“ erteilte. Ursprünglich hatte Dayanna die Version mit dem Adler ihrem „José“ nur ganz privat als Geburtstagsgeschenk bemalt. Der Mietvertrag der ABG und die Lizenzzusage der SGE erreichten sie praktisch gleichzeitig am Flughafen, als sie gerade auf dem Weg in den Urlaub waren. Am Abend zuvor hatte Grunenberg einen asiatischen Glückskeks geöffnet in dem stand „gute Nachrichten kommen aus der Ferne“.